Kinder einfach klettern lassen
Beim Klettern wachsen Kinder über sich hinaus. Warum es wichtig ist, sie diese Erfahrungen eigenständig machen zu lassen – und was ihre Sicherheit beim Klettern erhöht.
„Huhu Mama, hier oben bin ich!“ – Wenn der Nachwuchs aus schwindelerregender Höhe vom Klettergerüst winkt, reagieren Eltern höchst unterschiedlich. Die einen winken gelassen von der Parkbank zurück, andere springen nervös auf und rufen: „Sei bloß vorsichtig und halte dich gut fest!“.
Fallen gehört zum Klettern dazu
Die Angst, dass dem Nachwuchs beim Klettern etwas Schlimmes zustoßen könnte, ist in den meisten Fällen unbegründet. Zwar passieren viele Spielplatzunfälle durch Stürze vom Klettergerüst, doch meistens kommen die Kinder mit leichten Verletzungen wie Prellungen davon. Zahlreiche gesetzliche Vorgaben und Normen für Spielplatzgeräte und Außenspielgelände sorgen für ausreichend Sicherheit. Ebenso muss der Untergrund von Klettergerüsten so beschaffen sein, dass das Hinunterfallen ohne größere Verletzungen möglich ist. Idealerweise können Kinder sich auch in der freien Natur austesten und auf Bäume und Böden klettern, wenn die Gegebenheiten stimmen. Denn ob auf dem Spielplatz oder in Natur – das Klettern fördert wichtige körperliche, motorische und kognitive Fähigkeiten. Was Vielen nicht bewusst ist: Das Hinfallen ist ebenfalls eine wichtige Lernerfahrung beim Austesten der eigenen Grenzen.
Merkmale einer sicheren Kletterumgebung
- stabile Geräte und Aufbauten
- trittsichere Stand- und Balancierflächen
- Handläufe, Geländer oder Brüstung
- Stoßdämpfender Untergrund (z. B. Hackschnitzel, Sand oder Kies)
- hindernisfreier Fallbereich
- ausreichend Maschen- bzw. Sprossenabstand bei Kletternetzen oder Leitern
- keine (witterungsbedingten) Schäden, scharfkantigen Teile, Quetsch- oder Klemmstellen
Ängstliche Eltern sind ein Risiko
Wenn ein Kind beim Klettern hinfällt und dabei nichts Gravierendes passiert, sollten Eltern den Vorfall nicht zu sehr dramatisieren. Besser ist es, den Nachwuchs zu ermutigen, sich weiter auszuprobieren. Ebenso ist es fatal, beim Anblick des Kindes im Baum oder auf dem Klettergerüst erschrocken zu reagieren oder gar das Klettern zu verbieten. Denn dadurch suggerieren Eltern, dass sie ihren Sprösslingen nicht zutrauen, die Situation alleine zu bewältigen. Das macht die Kinder nur unsicher und erhöht in diesem Moment sogar die Sturzgefahr.
Zwischen Vorsicht und Risikobereitschaft
Es ist ein natürlicher Instinkt, das eigene Kind in jeder Situation beschützen zu wollen. Deshalb fällt es vielen Eltern auch schwer, gelassen zu bleiben – vor allem, wenn sich der kletternde Nachwuchs als besonders abenteuerlustig erweist. Den idealen Mittelweg zwischen Vorsicht und Wagemut muss jede Familie individuell finden, denn jedes Kind bringt andere körperlichen Fähigkeiten und unterschiedlich hohe Risikobereitschaft mit. Eltern können es beim Klettern beobachten, um herauszufinden, wie geschickt und gefahrenbewusst es vorgeht. Das wiederum setzt voraus, sich zurückzunehmen, um dem Nachwuchs überhaupt die Chance zu geben, eigenständig zu klettern. Was für verunsicherte Eltern vor allem bedeutet: Über den eigenen Schatten springen und möglichst cool bleiben.
Verhaltenstipps für Eltern
- Kindern Freiraum geben und sie selbst aktiv werden lassen
- zum Klettern ermutigen, aber nicht drängen
- beobachten und innerlich bereit sein, aber nicht steuern
- Verantwortung übertragen, aber Überforderung vermeiden
- bei Bedarf helfen, aber nicht überbehüten
- Kinder nicht auf Spielgeräte heraufheben, wenn sie die Höhe selbst nicht erreichen
Sicher auf ein Gerüst klettern
Auf einem altersgerecht gestalteten Spielplatz ist es nicht notwendig, Kinder beim Klettern zu unterstützen oder ihnen bestimmte Regeln mit auf den Weg zu geben. Bequeme Kleidung und festes Schuhwerk machen das Klettern auf einem Gerüst jedoch einfacher und sicherer.
Sicherheitstipps für kletternde Kinder
- festes Schuhwerk (keine Flipflops oder Crocs)
- bequeme Kleidung, die Bewegungen nicht einschränkt
- Ketten oder Schnüre im Halsbereich entfernen oder nach innen stecken
- beim Klettern nicht essen oder Kaugummi kauen lassen
Nur dort klettern, wo man aus eigener Kraft hochkommt
Spielplatz-Klettergerüste, die nicht für Kinder unter drei Jahren geeignet sind, haben eine Einstiegshürde, wie beispielsweise eine sehr hohe erste Sprosse. Das soll verhindern, dass die Jüngsten dort alleine hinaufklettern. Erwachsene sollten diese Sicherheitsbarriere respektieren und kleine Kinder nicht auf das Klettergerüst heben – denn weiter oben wird es gefährlich und ein Eingreifen ist nicht mehr möglich. Eltern und Kinder treffen am besten folgende, leicht verständliche Vereinbarung: Nur dort klettern, wo man aus eigener Kraft hochkommt.
Achtung: Kinder nie mit Fahrradhelm klettern lassen – es besteht Strangulationsgefahr!
Bewegung im geschützten Rahmen fördert Sicherheit
Ein verlässlicher Weg, die Sicherheit der Kinder beim Klettern zu erhöhen, ist die kontinuierliche Förderung ihres Geschicks und Selbstvertrauens von Anfang an. Auf altersgerechten Spielplätzen, in der Kita oder auch im Schul- oder Vereinssport können die Jüngsten wichtige Bewegungs- und Grenzerfahrungen machen. Die Spiel- und Sportangebote bieten neben geschützten Rahmenbedingungen auch einen weiteren Vorteil: Die Kinder lernen, sich in der Gemeinschaft mit Gleichaltrigen zu bewegen – ohne dass die Eltern danebenstehen.
- cgr
Foto (Titelbild): Lena Ogurtsova / shutterstock