Versicherungsschutz im Home Office
Wann greift die gesetzliche Unfallversicherung, was muss ich privat absichern?
Ausrutschen, stolpern, stürzen: Auch im Home Office kann ein Unfall passieren. Handelt es sich dabei um einen Arbeitsunfall, sind Beschäftigte gesetzlich unfallversichert, das heißt, eine Berufsgenossenschaft oder eine Unfallkasse ist zuständig. Der Versicherungsschutz beim mobilen Arbeiten besteht mittlerweile im gleichen Umfang wie in der Arbeitsstätte. Zum 18. Juni 2021 wurde der Unfallversicherungsschutz im Sozialgesetzbuch (SGB 7) entsprechend geändert, da immer mehr Arbeitnehmende und Arbeitgebende zeitweise oder sogar dauerhaft im Home Office arbeiten.
Eine weitere Änderung betrifft Eltern, deren Kind außer Haus betreut wird: Bringen sie ihr Kind, das mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebt, vom Home Office auf direktem Weg zur Kita, Tagesmutter oder Schule, sind sie bei Unfällen gesetzlich unfallversichert. Zuvor waren sie dabei nicht von den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen abgesichert. An Tagen, an denen sie im Unternehmen arbeiten, gilt wie bisher: Eltern dürfen, ohne den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu verlieren, auf dem Weg von oder zur Arbeitsstätte einen Umweg einlegen, um Kinder in fremde Obhut zu geben.
Nicht jeder Unfall, der sich bei der Arbeit von zu Hause aus ereignet, ist aber ein Arbeitsunfall, für den die gesetzliche Unfallversicherung zuständig ist. Ausschlaggebend ist die Frage, ob die Tätigkeit in einem engen Zusammenhang mit den beruflichen Aufgaben steht. Das Bundessozialgericht spricht hier von einer „Handlungstendenz“. Im Home Office vermischen sich Berufliches und Privates jedoch leicht.
Auf den folgenden Seiten erfahren Sie anhand einiger konkreter Beispiele, wann Sie gesetzlich unfallversichert sind – und wann nicht. Wer auf Nummer sicher gehen und die Folge eines Unfalls jederzeit abdecken möchte, sollte sich über eine private Unfallversicherung informieren.
Übrigens: Für die meisten Selbstständigen, Freiberuflerinnen und Freiberufler sowie Unternehmerinnen und Unternehmer besteht die Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung zu versichern.
Auf dem Weg in die Kantine bin ich gesetzlich unfallversichert. Auf dem Weg zu meinem Kühlschrank auch?
Wer im Home Office arbeitet, ist seit dem 18. Juni 2021 beim Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung nicht mehr schlechter gestellt als im Betrieb. Zuvor waren im Home Office lediglich die Arbeitstätigkeit an sich und so genannte „Betriebswege“ – zum Beispiel zum beruflich genutzten Drucker in einem anderen Raum – versichert. Für andere Wege im eigenen Haushalt galt das regelmäßig nicht. Das geänderte Gesetz macht nun keinen Unterschied mehr.
Gehen Sie daheim in der Mittagspause zur Küche, sind Sie wie auch auf dem Weg zur Kantine gesetzlich unfallversichert. In der häuslichen Küche gilt jedoch dasselbe wie in der Kantine: An beiden Orten besteht während des Aufenthalts kein Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung. Essen und Trinken erfüllen ein menschliches Grundbedürfnis und zählen daher zu den privaten Angelegenheiten.
Erleiden Arbeitnehmende auf dem Weg zur oder von der Arbeit einen Unfall, handelt es sich um einen Wegeunfall. Das Bundessozialgericht urteilte im Dezember 2021, dass auch bei der Arbeit im Home Office der erste Weg morgens an den Schreibtisch als Betriebsweg versichert ist.
Und wie ist das, wenn man beim Arbeiten daheim einem dringenden menschlichen Bedürfnis nachkommen muss? Wie im Unternehmen ist der Weg zur Toilette gesetzlich unfallversichert. Alles, was einem hinter der Tür zum stillen Örtchen widerfährt, aber nicht.
Welche Unfälle in der Arbeitspause sind gesetzlich unfallversichert, welche nicht?
Auch im Home Office sitzt kaum jemand ununterbrochen am Schreibtisch. Passiert in der Pause ein Unfall, gilt das aber meistens nicht als Arbeitsunfall. Dabei kommt es nicht unbedingt auf den Ort an, sondern auf die sogenannte „Handlungstendenz“. Die Faustregel lautet: Hängt die Tätigkeit eng mit den beruflichen Aufgaben zusammen, ist sie versichert. Ist sie jedoch privat, deckt die gesetzliche Unfallversicherung den Unfall nicht ab. Wer in der Pause etwas Persönliches erledigt, zum Beispiel die Balkonblumen gießt, handelt „eigenwirtschaftlich“ – und das ist auch bei der Arbeit im Unternehmen grundsätzlich nicht versichert.
Diese Beispiele machen den Unterschied anschaulich: Die Internetverbindung, die Sie für die Arbeit benötigen, ist unterbrochen. Gehen Sie in ein anderes Stockwerk, um den Router neu zu starten und stürzen die Treppe hinunter, sind Sie gesetzlich unfallversichert. Fallen Sie die Treppe herunter, weil der Paketdienst klingelt und ein privates Päckchen bringt, stellt das keinen Arbeitsunfall dar.
Ebenso geschieht die Zigarettenpause auf dem heimischen Balkon auf eigenes Risiko. Auch wer sich auf dem Weg dorthin verletzt, ist nicht gesetzlich unfallversichert – genau wie im Betrieb die Strecke zur „Raucherecke“. Das Rauchen diene nicht dazu, die Arbeitskraft zur erhalten oder zu stärken, urteilte das Berliner Sozialgericht 2013. Dem Richter zufolge handelt es sich um eine private Entscheidung.
Machen Sie zwischendurch Dehnübungen und verletzen sich dabei, ist das auch kein Fall für Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse. Das Gleiche gilt für den Spaziergang in der Mittagspause oder die kurze Runde um den Block, um den Kopf freizubekommen. Unterbrechen Eltern ihre Arbeit im Home Office, um schnell nach ihrem kranken Kind zu sehen, ist das ebenfalls Privatsache.
- miu
3 Fragen an ...
Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
Gilt für Arbeitende im Home Office der gleiche Unfallversicherungsschutz wie für Menschen im Büro?
Bereits vor der aktuellen Gesetzesänderung standen Beschäftigte im Home Office unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Anders als im Betrieb waren aber im eigenen Haushalt manche Wege, zum Beispiel, um ein Getränk oder etwas zu essen zu holen oder zur Toilette zu gehen, regelmäßig nicht versichert. Das hat der Gesetzgeber nun geändert: Mobile Arbeit soll im selben Umfang unfallversichert sein wie die Arbeit auf der Unternehmensstätte.
Wie ist es konkret, wenn ich mir zum Beispiel im Home Office einen Kaffee hole, stolpere und mir das Bein breche?
Ich fürchte, das lässt sich so pauschal nicht beantworten. Die Rechtsprechung sagt, solche Wege sind nur dann versichert, wenn das Essen oder Trinken erforderlich ist, um weiter arbeiten zu können. Das kann nur anhand der Umstände im konkreten Einzelfall entschieden werden.
Bin ich gesetzlich unfallversichert, wenn ich im Home Office bin, mein Kind in die Kita bringe und auf dem Weg einen Unfall erleide?
Für Beschäftigte, die im Betrieb arbeiten, galt schon bisher: Wenn sie auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg machen, um ihr Kind zur Kita oder zur Schule zu bringen, sind sie dabei versichert. Für Beschäftigte im Home Office waren Wege, um Kinder in Betreuung zu geben, bislang dagegen nicht versichert. Das hat sich nun geändert: Bringen Beschäftigte ihr Kind aus dem Home Office in die Kita, stehen sie auf dem direkten Hin- und Rückweg unter Versicherungsschutz.
3 Fragen an ...
Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV)
Bei Unfällen im Home Office ist meistens die gesetzliche Unfallversicherung der erste Ansprechpartner. Würde auch die private Unfallversicherung zahlen?
In Deutschland erleiden jährlich rund acht Millionen Menschen einen Unfall. Die meisten Unfälle geschehen in der Freizeit, entweder im Haushalt oder beim Sport. Ein schwerer Unfall zieht oftmals anhaltende gesundheitliche oder finanzielle Folgen nach sich: Es können einmalige oder dauerhafte finanzielle Belastungen entstehen. Hier greift die private Unfallversicherung – also auch im Home Office, wo die Grenzen zwischen beruflicher und privater Tätigkeit oft fließend sind. Man legt während der Arbeit Wege innerhalb der Wohnung zurück, nutzt die Mittagspause für Besorgungen, und auch der Übergang in den Feierabend ist ja oft sehr fließend. In der privaten Unfallversicherung gibt es dann keine Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Beruflichem und Privatem und keine zeitlichen Lücken im Versicherungsschutz. Und anders als in der gesetzlichen Unfallversicherung gilt der Versicherungsschutz der privaten in der Regel rund um die Uhr und weltweit.
Aus der Schadenerfahrung wissen die Unfallversicherer, dass die meisten gemeldeten Unfälle zu Hause und in der Freizeit passieren.
Also ist es möglich, aus zwei Versicherungen Leistungen zu erhalten?
Ja, denn die private Unfallversicherung leistet unabhängig von anderen Versicherungen. Also auch dann, wenn es sich um einen Arbeitsunfall im Home Office handelt und der Versicherte bereits Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhält. Also beispielsweise, wenn nach einem Autounfall die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung des Unfallgegners zahlt oder die Vermieter für einen Unfall auf dem vereisten Fußgängerweg haften. Die private Unfallversicherung leistet auch dann, wenn etwa eine private Gruppenunfallversicherung des Arbeitgebers neben der eigenen Unfallversicherung greift.
Was sind denn die wichtigsten Leistungen der privaten Unfallversicherung?
Kern der privaten Unfallversicherung sind die Invaliditätsleistung - eine Einmalleistung - und die Unfallrente, also eine lebenslange Rentenleistung. Beide greifen, wenn ein Unfall bleibende körperliche oder geistige Beeinträchtigungen, also eine Invalidität, hinterlässt. Hier sind Betroffene häufig mit einer vollkommen neuen Lebenssituation konfrontiert, die in vielen Fällen auch zusätzliche Kosten mit sich bringt. Beispielsweise, wenn Umbauten in der Wohnung notwendig sind. Die Leistungen sind nicht zweckgebunden und können so ganz flexibel nach individuellem Bedarf eingesetzt werden.
Grundlage für beide Leistungen ist zum einen die jeweils vereinbarte Versicherungssumme bzw. Rentenhöhe, und zum anderen der sogenannte Grad der Invalidität.
Der Grad der Innvalidität ergibt sich in erster Linie aus der Gliedertaxe. Die Gliedertaxe ist eine Art Bewertungstabelle für die Beeinträchtigung einzelner Gliedmaßen. So macht es einen Unterschied, ob jemand beispielsweise durch einen Unfall einen Arm oder einen Finger verloren hat. Die Gliedertaxe ist ein wichtiger Bestandteil des Versicherungsvertrags. Beeinträchtigungen, die nicht in der Gliedertaxe genannt sind, werden danach bemessen, wie sie sich auf die körperliche bzw. geistige Leistungsfähigkeit insgesamt auswirken. Dazu werden in der Regel medizinische Gutachter beauftragt.
Als Invaliditätsleistung erhält der Versicherte dann den für den ermittelten Invaliditätsgrad vereinbarten Teil der Versicherungssumme. Daneben wird die Unfallrente in voller Höhe gezahlt, wenn der dafür vereinbarte Invaliditätsgrad erreicht wird.
Aber auch für Unfallfolgen, die nicht von Dauer sind, sieht die private Unfallversicherung Leistungen vor, so zum Beispiel ein Tagegeld, ein Krankenhaustagegeld sowie Sofort- oder Übergangsleistungen. Außerdem werden Bergungs- und Rettungskosten sowie Kosten für unfallbedingte kosmetische Operationen übernommen. Und schließlich ist auch eine Todesfallleistung vorgesehen.
Etliche Unfallversicherer bieten daneben auch Serviceleistungen an: Für die Überbrückung der ersten Zeit nach einem Unfall gibt es Haushaltshilfen oder Kinderbetreuung; bei schweren Unfällen werden häufig Rehabilitationsleistungen angeboten. Somit ist die Unfallversicherung in jeder Lebenssituation sinnvoll; es gibt spezielle Angebote für Kinder, Familien, junge Erwachsene und Senioren. Daneben werden Gruppenversicherungen angeboten, mit denen etwa Arbeitgeber ihre Angestellten, Vereine ihre Mitglieder oder Veranstalter ihre Gäste schützen können.
Foto: fitzkes / shutterstock.com
Wo finde ich weitere Informationen?
Weiterführende Informationen zu den Themen Home Office, gesundes und sicheres Arbeiten sowie zu Fragen rund um den Versicherungsschutz bieten die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) und der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) an.